Junge chronische Patienten:
Wer ist hier eigentlich schwierig?

Forschungsbericht 97-2

Holger Hoffmann

Zusammenfassung

Ziel dieses Beitrages ist es, einige Aspekte aufzuzeigen, die den Umgang mit jungen chronischen Patienten so schwierig machen können und Möglichkeiten zu diskutieren, wie diesen Schwierigkeiten begegnet werden kann.
Ein möglicher, langwieriger Weg, bei dem wir Therapeuten immer wieder Rückschläge in Kauf nehmen müssen, ist meiner Meinung nach, diesen schwierigen jungen Patienten mit Gelassenheit zu begegnen, ohne zu moralisieren und sich in allzu große Machtkämpfe einzulassen. Wir sollten vielmehr versuchen, sie mit einer wohlwollenden Haltung zu begleiten, bis sie ohne größeren Schaden aus diesem schwierigen Alter herausgewachsen sind. Dabei sollten wir den Ängsten und der Ambivalenz der Patienten Rechnung tragen und immer wieder reflektieren, was uns eigentlich in den Augen der jungen chronischen Patienten so schwierig macht. Dies mag am gesellschaftlichen Auftrag der Psychiatrie liegen, eine gewisse Ordnungsfunktion zu übernehmen (Simon 1982), an der ungenügenden Kommunikation, Koordination und Kooperation innerhalb des Betreuersystems, an der Schwäche, genügend klare und konsequente Haltungen einzunehmen und/oder an unserem Verstricktsein in den Teufelskreis der Hilflosigkeit und den daraus resultierenden negativen Gegenübertragungsgefühlen. Meist sind es genau diese negativen Gefühle, die wir erleben, welche der Patient durch sein für uns so schwierige Verhalten zu vermeiden versucht. Diese Gefühle auszuhalten ist schwer. Dennoch müssen wir immer wieder von neuem dagegen ankämpfen, die uns diese Gefühle vermittelnden Patienten loszuwerden, sondern im Gegenteil ihnen als konstante Bezugsperson oder Langzeitbetreuerteam zu Verfügung zu stehen, damit sich langsam ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann, und beide Seiten einander nicht mehr als ganz so schwierig erleben.


eMail: hoffmann@spk.unibe.ch
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27.10.97/hb