Literaturangabe:
Tschacher W & Baur N (1996): Wirkungsgefüge von Psychosen. In: Forschungsberichte der Universitären Psychiatrischen Dienste Nr. 96-1.Universität Bern.
Zusammenfassung: Die vorliegende Studie untersucht anhand von 21 Verläufen zeitliche Zusammenhänge zwischen Symptomen von an Schizophrenie Erkrankten. Neun Einzelsymptome wurden täglich (zwischen 53 und 200 mal) von den betreuenden Personen geratet. Für die Tag-zu-Tag-Zusammenhänge wurden Zustandsraummodelle berechnet, die als Wirkungsgefüge der Psychoseverläufe anzusehen sind. Damit können die Zusammenhänge zwischen den Symptomen für jeden Verlauf einzeln auf Signifikanz getestet und deskriptiv dargestellt werden. Die neun Symptome konnten durch Hauptkomponentenanalysen zu drei Faktoren (Psychotizität, Erregung und Rückzug) zusammengefasst werden. Diese prägnante Zusammenfassung der Daten der Gesamtstichprobe zeigt, dass Erregung und Rückzug die Psychotizität beeinflussen, aber das Umgekehrte nicht zutrifft. Dieses Ergebnis erweitert ein etabliertes Resultat der Schizophrenieforschung.
optional dazu:
Tschacher W, Scheier C, & Brenner HD. (1996). Dynamische Aspekte
der Schizophrenie. psycho, 22, 693-700.
Zusammenfassung: Ein Kennzeichen schizophrener Symptome ist ihre
oft schnelle und spontan erscheinende Veränderlichkeit. Wir berichten
hier in einer Zusammenschau über einige Studien, die wir zur Frage
des Verlaufs von Schizophrenien durchgeführt haben. Dabei gehen
wir von dem Konzept der "Dynamischen Krankheit" aus, das es ermöglicht,
Ideen aus der Theorie dynamischer Systeme für unsere Fragestellungen
zu nutzen. Dynamische Krankheiten sind solche Krankheiten, die
durch einen von der Norm abweichenden Prozess (eine "Dynamik")
gekennzeichnet sind, und bei denen weniger eine strukturelle Veränderung
oder Läsion im Hintergrund der Symptome steht. Zunächst überprüfen
wir die Passung dieses Konzepts anhand einer Gruppe von Schizophrenieverläufen,
die über lange Zeiträume erhoben wurden. Unsere Resultate deuten
darauf hin, dass Verläufe in der Mehrzahl der von uns untersuchten
Fälle auf nichtlineare Systeme zurückführbar sind. Wir haben dann
unsere Ausgangshypothesen in weiteren Studien anhand neuer multivariater
Verlaufsdaten verfeinert. Es kann dabei etwa gezeigt werden, dass
auch in einem Zeitrahmen von Tagen ein Anstieg an positiv-psychotischen
Symptomen auf einen Anstieg im Bereich der Negativsymptomatik
und der Erregung folgt. Implikationen dieser Ergebnisse für das
Verständnis der Schizophrenie und für die Therapie werden diskutiert.
oder auch entsprechendes Kapitel 8.2.4 in den "Prozessgestalten"